Berlins Ausbildungspolitik versagt – eine Generation wird abgehängt
PRESSEMITTEILUNG
31. März 2022
Stiftung Zukunft Berlin fordert nach Berlin-Forum von Politik und Wirtschaft eine Landesstrategie Berufseinstieg
In einem eindringlichen Appell
an den Senat fordert die Stiftung Zukunft Berlin (SZB) neue Initiativen für den
Berufseinstieg von Jugendlichen. Im Anschluss an ein Berlin-Forum zum Thema
Übergang Schule-Beruf sagte der Vorstandssprecher der SZB, Markus Dröge: „Alle
Praktiker aus dem Bereich Berufsausbildung schlagen Alarm. In Berlin besteht
die akute Gefahr, dass ein großer Teil der jungen Generation den Einstieg ins
Berufsleben ohne zusätzliche flankierende Maßnahmen nicht bewältigt. Die
Coronapandemie, durch die unter anderem viele Praktika ausgefallen sind, hat
den Berufseinstieg für viele zusätzlich erschwert. Deshalb brauchen wir jetzt
dringend einen kräftigen Impuls von Politik und Wirtschaft mit einer finanziell
abgesicherten Landesstrategie Berufseinstieg. Sehenden Auges weiter abzuwarten
wäre ein Versagen gegenüber der Zukunft Berlins.“
Im Berlin-Forum,
einem von der SZB initiierten regelmäßigen Diskussionsforum mit Vertreter:innen
aus allen gesellschaftlichen Bereichen, war zuvor deutlich geworden, dass sich
das Problem des Berufseinstiegs drastisch zugespitzt hat. Einerseits sucht die
Berliner Wirtschaft immer dringender junge Fachkräfte, andererseits werden für
viele Jugendliche die individuellen Hürden immer höher. Expert:innen aus dem
Bereich der Berufsbildung hatten im Berlin-Forum darauf verwiesen, dass
speziell Jugendliche aus Familien mit Einwanderungsgeschichte – das sind in
Berlin rund 50 Prozent – sowie generell junge Leute aus benachteiligten
Stadtvierteln den Anschluss ans Berufsleben zu verlieren drohen, unter anderem
weil zuletzt außerschulische Orientierungs- und Förderangebote pandemiebedingt
heruntergefahren wurden.
Dröge: „Vielen Jugendlichen fehlt nun am Ende der Schulzeit die Orientierung
beim Einstieg ins Berufsleben. Das ist ein Versagen von Bildungswesen und
Wirtschaft gleichermaßen. Leider müssen wir feststellen, dass in Berlin dazu
bisher ein konsequentes Konzept fehlt. Die Zuständigkeiten im Senat sind
zersplittert, und jetzt droht im Zuge der Haushaltsverhandlungen auch noch eine
Kürzung der Verfügungsmittel der einzelnen Schulen für passgenaue örtliche
Maßnahmen. Wir fordern, dass diese Kürzungspläne zurückgenommen werden – und
gleichzeitig, dass die großen öffentlichen und privaten Betriebe in der Stadt sich
zusätzlich mit mehr Praktika als Sprungbrett in eine Ausbildung engagieren. Die
Landesinitiative ‚Berlin braucht Dich‘, die das Ziel hat, die Ausbildung
für mehr Vielfalt zu öffnen, kann dafür ein Beispiel sein.“
Im Berlin-Forum hatte eine Diskussionsrunde mit den ausbildungspolitischen
Sprecherinnen der Fraktionen im Abgeordnetenhaus ergeben, dass es im Bereich
der Landespolitik zwar Ideen, aber bislang noch kein konsequentes Konzept gibt.
Dazu sagte die frühere ver.di-Chefin Berlin-Brandenburg, Susanne Stumpenhusen,
die im Berlin-Forum zum Thema Berufsausbildung mitarbeitet: „Uns droht beim
Berufseinstieg eine weitere Verstärkung der sozialen Spaltung der
Stadtgesellschaft. Seit März 2020 sind Berliner Jugendliche neben fehlenden
sozialen Kontakten auch von dramatischen Ausfällen in der Berufsorientierung
und der Vorbereitung auf das Arbeitsleben betroffen. Betriebe haben Praktika
gestrichen, bewährte Formate reduziert oder sie gar nicht mehr angeboten.
Ausbildung findet häufig nur digital statt, die Beschäftigten vieler
Unternehmen befinden sich überwiegend im Homeoffice. Die digitalen Angebote
können viele Jugendliche aufgrund fehlender Rahmenbedingungen – kein WLAN,
keine Endgeräte – nicht wahrnehmen. In mehreren Schüler:innengenerationen bauen
sich jetzt Lücken auf, die gegen Ende der Schulzeit kumulieren und dazu führen,
dass die jungen Leute unvorbereitet und daher oft chancenlos die Schule
verlassen.“
Das Berlin-Forum wird zeitnah zu einem Symposium einladen, um mit den
verantwortlichen Akteur:innen aus den verschiedenen Senatsverwaltungen und aus
der Berliner Wirtschaft konkrete Handlungskonzepte zu besprechen.
Pressekontakt:
Nele Kirchner, Tel. +49 30 26
39 229-20, kirchner@stiftungzukunftberlin.eu