Strategien und Voraussetzungen für einen gerechten Berufseinstieg und eine qualifizierte Ausbildung

Das Symposium schloss an die Berlin-Forum-Sitzung am 28.3. zum Thema „Von der Schule in die Arbeitswelt. Lösungsansätze für ein sich zuspitzendes Problem“ mit Schulpraktiker:innen, Expert:innen und  Vertreter:innen von vier Fraktionen im Abgeordnetenhaus an. Es wurde deutlich, dass es hier um eine Problematik geht, die den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden kann, wenn eine Generation heranwächst, die nicht am Arbeitsleben teilnimmt. Daher sollten im Symposium die fachlichen Fragen vertieft und Lösungsansätze gefunden werden.

Teilnehmende waren Vertreter:innen von drei Senatsverwaltungen, von Schulleitungen, Schüler:innen, Vertreter:innen vom BQN, ITDZ, dem DGB, dem FC Internationale, der AG Zusammenhalt im Berlin-Forum.

Dr. Markus Ficzko, Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, Christin Richter, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und Birgit Leverenz, Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe stellten ihre Programme und Ansätze vor, aber auch die Herausforderungen, vor denen das Land Berlin steht. Es wurde verabredet, zukünftig auch die Innenverwaltung einzubeziehen, da diese für die Ausbildung im öffentlichen Dienst zuständig ist.

Sabine Drochner, stellv. Schulleiterin Zuckmayer Schule in Neukölln beschrieb die Herausforderungen für Jugendliche aus betriebs- und arbeitsfernen Milieus. In ihrer Schule war Berufsorientierung von Anfang an ein Schwerpunkt. Durch die Anwendung der „Qualifizierten Vierstufigkeit“ und durch die Beschäftigung eines Jobcoaches konnte ihre Schule 2021 beim Übergang in berufliche Anschlusslösungen eine Quote von 43% erreichen, davon 21 Schüler:innen in duale Ausbildung. 

Jens Adelmund, WAT-Lehrer an der gastgebenden Paula-Fürst-Schule, schlug vor, dass Praktikumsmöglichkeiten auf die Oberstufe ausgeweitet werden. Die Schulleiterin Dr. Brigitte Kather beschrieb die Bedeutung von Praktikumsmöglichkeiten für Schüler und plädierte für eine Ausweitung. Unternehmen müssen sich für alle Schüler:innen öffnen und sollten sich nicht auf Abiturient:innen konzentrieren.

Sabine Carras, Ausbildungsleiterin des ITDZ Berlin, formulierte die Forderung, flächendeckend frühestmöglich Begegnungen mit Unternehmen, mit Betriebskultur, Arbeitsfeldern und inspirierenden Menschen einzuführen und so viele Gelegenheiten wie möglich für diese Begegnungen zu schaffen. Auswahlverfahren sollten überprüft werden: nicht Zeugnisse oder die Herkunft(-sschule), sondern Interessen, mögliche erste Erfahrungen und Soft Skills der Jugendlichen sollten im Vordergrund stehen.

Safa Semsary vom Leitungsteam Berlin braucht dich! und Miloslava Büger, Leiterin Politikberatung und Netzwerkarbeit beim BQN Berlin, machten deutlich, wie wichtig ein diskriminierungskritischer Blick ist und hoben das Recht auf zukunftsfähige diskriminierungsfreie schulische Bildung und Erziehung hervor. Betriebe müssen sich fragen, ob sie angemessen mit der Vielfältigkeit von Jugendlichen umgehen und sich nichtdiskriminierend verhalten. Jugendliche und weitere Communities sollten in die weiterführenden Überlegungen mit ihren Perspektiven einbezogen werden.

Der Vertreter des DGB stellte die Forderung auf, die Wirtschaft stärker in die Pflicht zu nehmen und hierfür neue Instrumente zu schaffen. Anreiz- und Pflichtaufgaben für kleine sowie große Unternehmen könnten hier helfen (Stichwort Ausbildungsumlage). Er wies daraufhin, dass die Abbrecherquote in Ausbildung und Studium ähnlich hoch ist.

Dr. Wilfried Kruse, Koordinator der Weinheimer Initiative, benannte wichtige Instrumente: Eine übergreifende integrierte Strategie für das Land Berlin muss entwickelt werden, gezielt auf die Frage, wie betriebliche Ausbildung geöffnet wird für Jugendliche, die bisher abseitsstehen. Es muss ein Pakt entstehen zwischen den zentralen Akteuren, insbesondere mit den Betrieben, die sich verpflichten, in einer bestimmten Zeit eine bestimmte Zahl von Jugendlichen in Ausbildung zu nehmen. Es muss gesetzliche Rahmenbedingungen geben. Das kann sehr gut ergänzt werden über Tarifverträge. Diese Anstrengungen müssen unterlegt werden mit einer erheblichen Finanzierung. 

Kern des Problems ist ein Paradox: Die Jugendlichen, die am dringendsten eine Ausbildung brauchen, bekommen keine. Viele bewerben sich gar nicht; die Gründe dafür gilt es genau zu untersuchen. Andererseits bleiben viele Ausbildungsplätze in den Betrieben unbesetzt. Betriebe, die ausbilden, investieren in erheblichem Umfang und gehen somit auch ein Risiko ein. Ein Lösungsansatz ist, Jugendliche unbesehen, ohne weitere Kriterien, in die Ausbildung zu nehmen. Das Risiko des Scheiterns bei Jugendlichen, die mit Nachteilen in die Ausbildung kommen, kann minimiert werden, wenn die Ausbildung von hoher pädagogischer Qualität ist. Bei vielen Jugendlichen setzen sich in der Berufsschule Probleme aus der Schule fort. Notwendig ist deshalb eine pädagogische Kooperation zwischen Berufsschulen und Unternehmen. 

Zusammenfassend wurden folgende Forderung aufgestellt:

1. Das Thema Übergang von der Schule ins Arbeitsleben in Berlin sollte Chefinnensache sein und somit auch die Senatskanzlei einbezogen werden.

2. Neue Instrumente wie eine Ausbildungsumlage sowie eine Ausbildungspflicht müssen geprüft werden.

3. Best Practice von Ausbildungsstrukturen und -verfahren in Unternehmen soll in die Breite getragen werden

4. Während der Ausbildung braucht es Unterstützungsmöglichkeiten für die Auszubildenden.

5. Gründung eines berlinweiten Pakts mit Timeline, der unabhängig von der Qualifikation der Jugendlichen ein Commitment der Wirtschaft anstrebt.