Konsenspapier zur Verwaltungsreform in Berlin

Im Anschluss an das 14. Berlin-Forum der Stiftung Zukunft Berlin im Juni 2022 über „Wege zu einer besser funktionierenden Stadt“ hat es in mehreren Diskussionsrunden Fachgespräche zu konkreten Projekten der Verwaltungsreform gegeben. Ergebnis war ein breiter Konsens zahlreicher zivilgesellschaftlicher und Wirtschaftsorganisationen * darüber, welche Reformschritte dringend nötig sind, was nicht zuletzt durch das Organisationsversagen rund um die Abgeordnetenhauswahl 2021 bestätigt wurde. Die wesentlichen Fragen, zu denen weitgehend übereinstimmende Positionen entwickelt werden konnten, sind:

                    Im Verbund mit den erforderlichen gesetzlichen und unter Umständen auch verfassungsrechtlichen Änderungen bedarf es eines nachhaltigen Kulturwandels in der Berliner Verwaltung hin zu einer auf allen Ebenen herrschenden Haltung der Verantwortungsübernahme und Zusammenarbeit – auch über die eigene Zuständigkeit hinaus.

                    Im Rahmen der angekündigten Neufassung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetztes (AZG) sind Aufgabenwahrnehmung und Verantwortung in den drei Kategorien „Vorbehaltsaufgaben der Senatsebene“, „bezirkseigene Aufgaben“ sowie (vom Senat auf die Bezirke) „übertragene Vorbehaltsaufgaben“ klar voneinander abzugrenzen. Als Vorlage hierfür können das AZG in seiner Fassung von 1958, der existierende Produktkatalog für bezirkliche Aufgaben sowie die Auflistung der Landes- und Stadtaufgaben im Rahmen der früheren Fusionsplanungen Berlin-Brandenburg dienen.

                    Zur Sicherstellung einer einheitlichen und zweckentsprechenden Wahrnehmung von übertragenen Vorbehaltsaufgaben durch die Bezirke bedarf der Senat einer Fachaufsicht, wofür sich ein Formulierungsvorschlag im Bezirksverwaltungsgesetz 1958 (dort § 8) findet. Ob es zur (Wieder-)einführung dieses Steuerungsinstruments gleichzeitig einer Änderung des Art. 67 der Verfassung von Berlin (VvB) bedarf, ist zu prüfen.

                    Zur Stärkung der Handlungs- und Steuerungsfähigkeit in den Bezirksämtern sollen die Anforderungen an die fachliche Eignung und Qualifikation der Stadträtinnen und Stadträte erhöht und die Rolle des Bezirksbürgermeisters/der Bezirksbürgermeisterin, etwa durch Einführung einer Richtlinienkompetenz bei Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Bezirksamtes, gestärkt werden. Die Geschäftsbereiche aller Bezirksämter sind vollständig einheitlich zu strukturieren. Zum Zwecke einer besseren Zusammenarbeit aller Verwaltungsebenen könnte eine Ertüchtigung des Rats der Bürgermeister zweckmäßig sein. Die Wirkung dieser Stärkungsmaßnahmen würde möglichweise durch die Ablösung des Proporzsystems und eine (Wieder-)einführung des sog. politischen Bezirksamtes erhöht, wofür einer Änderung des Art. 74 VvB notwendig wäre. 

                    Die Finanzausstattung der Bezirke hat dem Konnexitätsprinzip zu folgen. Neben den globalen Zuweisungen von Haushaltsmitteln für die bezirkseigenen Aufgaben, sind angemessene Zweckzuweisungen für die Erfüllung übertragener Vorbehaltsaufgaben vorzusehen, die auch den Inhalt von Zielvereinbarungen mit den Senatsverwaltungen berücksichtigen müssen.

                    Zur Unterstützung der neuen Führungskultur in der Verwaltung bietet sich eine engere Kooperation mit der Berliner Wirtschaft an, insbesondere im Rahmen der Fort- und Weiterbildung von Führungskräften.

Der zwischen den zivilgesellschaftlichen und Wirtschaftsorganisationen und für den Reformprozess verantwortlichen Senatsverwaltungen begonnene Austausch soll unabhängig von den Wiederholungswahlen fortgesetzt werden. Ziel ist es, mit einer möglichst großen Anzahl von Partnern der Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen, insbesondere den Trägern des Berlin-Forums, des AIV, des VBKI und der IHK in den kommenden Wochen in weiteren Gesprächen untereinander und mit den politischen Parteien und dem Senat zu einer breiten Basis für ein überzeugendes Konzept zur Reform der Hauptstadtverwaltung zu gelangen.

* Die Initiative wird unter anderem von der Stiftung Zukunft Berlin (SZB), der IHK Berlin, dem Verein der Berliner Kaufleute und Industriellen (VBKI) und dem Architekten- und Ingenieurverein zu Berlin Brandenburg (AIV) getragen.

 

Alle beteiligten Verbände und Organisationen (in alphabetischer Reihenfolge):